Autorin Cathrin Geissler
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Schnipsel

„Die meisten Drachen sind ein wenig blöd und auch recht träge. Wenn sie regelmäßig gefüttert werden, kann man ihnen allerhand beibringen. Man muss sie natürlich vorher gezähmt haben, sonst geht es nicht“, sagte Granina.

„Manchmal lassen sie allerdings ihren Stall oder einen der Lenker in Flammen aufgehen. Nur, um nicht aus der Übung zu kommen“, fügte Mütterchen Unwohl hinzu.
Inzwischen schwebten etwa zwanzig Feuerzeugdrachen über der Menschenmenge. Man hatte sie hintereinander nach Farben angeordnet, die von Blau über Lila, Rot und Orange bis hin zu Gold reichten.
„Das ist fantastisch!“ Silvana ließ die Drachen nicht aus den Augen, als sie mehrere Loopings und Spiralen zeigten, ohne sich ineinander zu verheddern oder sich gegenseitig in Flammen aufgehen zu lassen. Rat kramte in seinem Rucksack nach einer Marzipankartoffel. Er hatte die Feuerzeugdrachen oft genug gesehen, sodass er ihnen kaum noch Beachtung schenkte.
Als der Baculerische Teufelszahn an die Reihe kam, verstummte die Menschenmenge. Der Drache war pechschwarz, nur die Ränder seiner Rücken- und Schwanzzacken schillerten in einem dunklen Rotton. Er flog knapp über die Menschmenge hinweg und war so groß, dass er, wenn er den mächtigen Hals ausgestreckt hätte, den Kopf auf die Zinnen des Schlosses hätte legen können.
„Der ist ein bisschen öde. Weil der so groß ist, macht er keine Loopings oder so. Fliegt nur ein bisschen hin und her und rauf und runter“, sagte Rat neben Silvanas Ohr und biss in das Marzipan.
„Öde? Wie kann ein so imposanter Drache öde sein?“, fragte Silvana, während sie den Drachen nicht aus den Augen ließ.
Rat beobachtete den Teufelszahn müßig, während er kaute und darüber nachdachte, ob er sich auf dem Rückweg bei Mecklenhart und Bewerin noch ein paar Schokolinsen holen sollte. Der Drache stand elegant in der Luft über dem Festplatz, doch plötzlich versteifte er sich und warf den Kopf hin und her.
„Was zum Geier macht er da?“, fragte Rat.

„Er sucht jemanden“, sagte Mütterchen Unwohl.
„Aber wen?“, fragte Rat.
„Ritter, zu mir!“ Der König warf seinen Zeremonienumhang ab und zog sein heiliges Schwert aus der Scheide.
Der Drache brüllte triumphierend und hielt auf den König zu. Der Schrei schallte über den Platz und wurde von den Häuserwänden zurückgeworfen. Rat konnte die Vibrationen tief in seinen Eingeweiden spüren und er erschauerte.
„Rattenschiss auf Toast! Er hat es auf den König abgesehen!“

Foto: Shotshop


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