Interview mit Hella
Hella, Du hast zum 75. Geburtstag von Deiner besten Freundin Hildi einen Zeitungsausschnitt und eine Eintrittskarte für das Kunst- und Gewerbemuseum in Hamburg geschenkt bekommen. Warst Du enttäuscht über ein so, sagen wir mal, billiges Geschenk?
(Lacht) Ganz im Gegenteil! Ich wusste sofort, was es bedeutete und war überwältigt von Hildis Großzügigkeit. Normalerweise haben wir unsere Beute immer fünfzig-fünzig geteilt, deswegen war ich überrascht und, das muss ich zugeben, auch sehr gerührt, dass sie nichts von der Beute abhaben wollte.
Die Pfauenbrosche bedeutet Dir also sehr viel?
Mal davon abgesehen, dass sie ungefähr hundert Millionen Euro wert und meiner Meinung nach das sensationelles Schmuckstück ist, das jemals erschaffen wurde, bedeutet es mir in der Tat viel, dass wir sie endlich in die Finger bekommen haben. Damals, Ende der sechziger Jahre in New York, hatten wir sie schon fast. Wir hatten alles perfekt durchgeplant, doch dann ist Hildi krank geworden - Magen-Darm. Ich hatte ihr noch gesagt, iss dieses chinesische Essen vom Straßenimbiss nicht, aber natürlich hat sie nicht auf mich gehört. Drei Tage ist sie kaum von der Toilette heruntergekommen und dann war die Pfauenbrosche an Unbekannt verkauft und wir haben ihre Spur nie wiedergefunden - bis jetzt.
Woher kennst Du Hildi eigentlich?
Wir waren zusammen auf dem Gymnasium in Groß Flottbek. Ich kam aus einer reichen Kaufmannsfamilie und auch die anderen Kinder kamen aus, wie man damals sagte, guten Verhältnissen. Hildi war die Einzige, die wirklich arm war. Sie wohnte in Finkenwerder, ihr Vater war Fischer. Sie ist jeden Tag mit der Barkasse über die Elbe gefahren und hat sich durchgebissen, obwohl die meisten unserer Klassenkameraden sehr überheblich zu ihr waren. Sie hat ihr sonniges Gemüt aber zum Glück nie verloren.
Soweit ich weiß, seid Ihr nie geschnappt worden, obwohl ihr mehrere Jahrzehnte als Juwelendiebinnen unterwegs wart.
Richtig. Manchmal war es knapp, in Moskau zum Beispiel bekam Hildi einen Streifschuss am Hals ab, als ein Wachmann auf sie geschossen hat, und ein Versicherungsdetektiv klebt uns seit etwa zwanzig Jahren an den Hacken. Er konnte aber nie beweisen, dass wir die Täterinnen waren. Ich befürchte, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis er uns wegen der Pfauenbrosche einen Besuch abstatten wird (seufzt).
Hattest du nie Angst?
Doch, natürlich. Ohne eine gewisse Angst kannst du diesen Job nicht machen, denn dann wirst du zu selbstsicher und machst Fehler. Natürlich hatte ich Angst, ums Leben zu kommen - früher waren die Wachleute nicht zimperlich und haben ihre Waffen auch eingesetzt. Und eines kann ich Dir sagen, sie haben nicht nur auf die Beine gezielt. Außerdem hatte ich Angst, geschnappt zu werden und ins Gefängnis zu gehen. Wer hätte sich um meine Tochter Cornelia gekümmert?
Diese Angst hat Dich aber nicht abgehalten weiterzumachen.
Es ist das, was ich am Besten kann und ist es sehr lukrativ. Außerdem geht nichts über den Kick, wenn du einen Coup machst, wenn das Adrenalin durch deine Adern rauscht und du nur im Hier und Jetzt lebst. (Macht eine Pause). Dieser Kick fehlt mir heutzutage und fast noch schöner, als die Pfauenbrosche doch noch bekommen zu haben, war es, diesen Rausch wieder einmal zu erleben, sich wieder jung zu fühlen.
Kannst du dir vorstellen, sozusagen aus der Rente zurückzukehren und wieder aktiv zu werden?
Hättest Du mich das vor einem Jahr gefragt, hätte ich nein gesagt. Heute aber? Wer weiß?
Hella, ich danke Dir für dieses Gespräch. Würdest Du mir die Brosche einmal zeigen?
Tut mir leid, keine Chance. Aber es gibt ein Foto auf der Homepage von Grafe, da kannst Du sie Dir ansehen.