Die Planung beginnt
Am Morgen darauf saß Hildi in ihrem Frühstückszimmer in ihrer alten Villa, die direkt am Ufer des Langen Zugs, eines Seitenarms der Außenalster, stand. Im Sommer frühstückte sie am liebsten auf dem Rasen unter der großen Trauerweide direkt am Wasser, doch jetzt, Anfang Januar, lag eine dünne Schneedecke auf dem Gras und der Kanal war von einer hauchdünnen Schicht Eis bedeckt, das aber, wie der Schnee auch, laut Wetterbericht bald wieder tauen würde. Als es an der Tür klingelte, stand Hildi auf und öffnete. Wie sie es sich gedacht hatte, war es Hella, die im Schneeregen stand, einen überdimensionierten Regenschirm über dem Kopf. Sie klappte den Schirm zusammen und drängte sich an Hildi vorbei.
„Ich habe schon mit der Planung angefangen“, sagte sie statt einer Begrüßung. „Wir sollten die Sache am nächsten Dienstag durchziehen. Da spielt Deutschland ein Qualifikationsspiel für die EM gegen Malta.“
„Seit wann bist du Fußballfan?“, fragte Hildi und folgte Hella in den Flur, wo diese sich aus ihrem dunkelblauen Wollmantel schälte. Darunter trug sie ein knielanges anthrazitfarbenes Kleid aus Mohairwolle. Auf ihrem kinnlangen, zu einem Bob geschnittenen silberfarbenem Haar saß ein dunkelblauer Filzhut mit schmaler Krempe.
„Was passiert immer am Ende eines Länderspiels?“, antwortete Hella mit einer Gegenfrage.
„Was weiß ich. Die einen Fans besaufen sich und ziehen grölend durch die Gegend, weil ihre Mannschaft gewonnen hat, die anderen besaufen sich und ziehen grölend durch die Gegend, weil ihre Mannschaft verloren hat?“
Hella lachte. „Das auch. Hast du einen Kaffee?“
„Da ich mir dachte, dass du kommst, habe ich einen großen Pott gekocht.“
Die Beiden gingen ins Frühstückszimmer und Hildi stellte eine Tasse Kaffee mit extra viel Milch und einem Löffel Zucker vor Hella ab.
„Was du vergessen hast zu erwähnen: Nach dem Ende eines Länderspiels werden immer Böller gezündet“, sagte Hella, nachdem sie einen großen Schluck genommen hatte.
„Ahh, verstehe!“ Hildi strahlte.
„Dachte ich mir, dass dir das gefallen würde.“ Hella lächelte. „Endlich kannst du wieder Krach machen und etwas in die Luft jagen.“
„Es war zwar gerade Silvester, da konnte ich mich feuerwerkstechnisch austoben. Aber es geht nichts über eine nette kleine Sprengung. Ist schon viel zu lange her, dass ich das letzte Mal etwas in die Luft gejagt habe.“
„Ich wundere mich, dass du es so lange ausgehalten hast.“ Hella trank einen weiteren Schluck Kaffee. „Obwohl sich wahrscheinlich knapp zwei Wochen nach Silvester keiner wundern würde, wenn geknallt wird, möchte ich die Sache am Tag des Länderspiels durchziehen.“
„Sicher ist sicher“, stimmte Hildi zu.
„Ich habe mir das Gebäude bereits im Internet angeguckt und mir Folgendes überlegt ...“, sagte Hella.