Epilog
Ein Piepsen weckte ihn. Das stetige Geräusch bohrte sich in sein Hirn und er öffnete die Augen. Weiß. Alles war weiß. Wo zum Geier war er? Ein wenig mühsam drehte er den Kopf und erkannte, dass er sich in einem Krankenhauszimmer befand. Sein rechtes Bein war in einer Schlinge hochgelagert und eingegipst, sein rechter Arm war fest bandagiert und in seinem Kopf schien ein Presslufthammer zu arbeiten. Was war passiert? Irgendwas mit einem Pfau …
Die Erinnerung kehrte schlagartig zurück und in Serkan kochte die Wut hoch. Diese verdammten alten Schachteln! Sie hatten ihm die Pfauenbrosche geklaut und ihn von der Autotür geschleudert. Ihn, Serkan Yüksel, den Babo der erfolgreichsten Gang in Steilshoop! Das Piepsen wurde schneller und kurze Zeit später wurde die Zimmertür aufgerissen. Eine dunkelhaarige Krankenschwester stürmte herein, die er unter anderen Umständen nicht von der Bettkante gestoßen hätte.
„Ah, Sie sind wach. Ist alles in Ordnung bei Ihnen, Herr Yüksel?“
„Nichts ist in Ordnung …“ Serkan las das Namensschild der Pflegerin. „Martha.“
„Ich hole gleich einen Arzt.“
Martha ging rasch zur Tür und stieß fast mit einem jungen blonden, etwas dicken Mann zusammen, der von einer kurzhaarigen, hochgewachsenen Frau in den Vierzigern begleitet wurde. Alles an ihnen schrie „Polizei“.
„Die Bullen“, sagte Serkan und seufzte. „Was wollt ihr?“
„Herr Yüksel, mein Name ist Sandra Fritsche, das ist mein Kollege Lars Schulte.“ Die Beiden traten an sein Bett und zückten ihre Ausweise. Serkan warf nur einen kurzen Blick darauf und schloss die Augen.
„Wir sind hier, um Sie zu dem Raub eines Diamantcolliers und der Pfauenbrosche aus dem Museum für Kunst und Gewerbe zu befragen. Sind Sie damit einverstanden, dass wir das Gespräch aufzeichnen?“
Serkan öffnete die Augen und sah die Fritsche an. „Mir egal. Wie kommen Sie darauf, dass ich etwas mit dem Einbruch zu tun habe?“ Die Kopfschmerzen verstärkten sich und er verzog das Gesicht.
Die beiden Bullen zogen sich zwei Stühle an sein Bett und setzten sich.
„Kommen Sie, Yüksel, tun Sie nicht so scheinheilig. Ihr Wagen wurde in der Nacht des Raubes in der Nähe des Museums gesehen und wir haben das Diamantcollier in Ihrem Wagen gefunden. Jetzt möchten wir natürlich wissen, wo die Brosche ist“, sagte die Fritsche.
„Was für ein Diamantcollier?“ Die Kopfschmerzen legten noch eine Schippe drauf. „Kann ich ein Glas Wasser haben?“
„Natürlich.“ Die Fritsche füllte ein Glas mit Mineralwasser und reichte es Serkan. Langsam trank er ein paar Schlucke, während seine Gedanken rasten. Die beiden Omas hatten nur die Brosche dabeigehabt, da war er sich ziemlich sicher.
„Das Diamantcollier, das wir hinter der Abdeckung Ihres Audis gefunden haben“, sagte Schulz, oder wie auch immer er hieß.
„Spinnt ihr jetzt komplett? Wie soll die denn dahin gekomm…“
Die Omas! Sie hatten ihn gelinkt. Ja, je mehr Serkan darüber nachdachte, desto sicherer war er.
„Die beiden Alten, die die Brosche geklaut haben! Die müssen mir das Collier in den Wagen gelegt haben!“ Das Gepiepse wurde schneller und die Fritsche warf einen Blick auf den Monitor neben dem Bett.
„Die beiden Alten, die die Brosche geklaut haben“, wiederholte sie langsam. „Wer soll das sein?“
„Was weiß ich! Als wir beim Museum angekommen sind, kamen die angehoppelt. Richtig rennen konnten die gar nicht. Ich dachte erst, die hätten sich bei der Flucht verletzt, aber ich glaube es lag daran, dass die schon fast scheintot waren.“ Serkan fasste sich an den Kopf. „Ich brauche eine Schmerztablette, mein Kopf explodiert gleich.“
„Wir holen Ihnen gleich einen Arzt. Also, nur damit ich das richtig verstehe: Als sie beim Museum angekommen sind, >hoppelten< zwei scheintote alte Männer auf Sie zu. Und die hatten die Brosche und das Collier gestohlen.“
„Ja! Nein! Das waren zwei alte Omas.“
Die Fritsche warf ihrem Kollegen einen Blick zu und er schüttelte leicht den Kopf.
„Sie glauben mir nicht. Aber es war so!“
„Gut, nehmen wir für eine Sekunde an, dass es sich tatsächlich so abgespielt hat. Wie ist das Collier in Ihr Auto gekommen?“
„Die müssen mir das da reingelegt haben, als sie bei mir zu Hause waren und meinen Safe geknackt haben.“
Die Fritsche starrte Serkan einige lange Momente an, dann nickte sie ihrem Kollegen zu.
„Herr Yüksel, wir beenden hier zunächst die Befragung. Wir werden wiederkommen, wenn Sie klarer im Kopf sind. Und bis dahin sollten Sie sich überlegen, ob Sie uns erzählen, wo Sie die Brosche versteckt haben. Das könnte sich strafmildernd für Sie auswirken. Und glauben Sie ja nicht, dass wir es Ihnen abkaufen, wenn Sie auf geistig unzurechnungsfähig plädieren wollen.“
„Hören Sie nicht zu? Finden Sie die beiden alten Schachteln, wenn Sie wissen wollen, wo die Brosche ist!“, schrie Serkan.
Statt einer Antwort schaltete die Fritsche das Aufnahmegerät aus.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ein sonnengebräunter Mann in den Fünfzigern stürmte mit wehendem Kittel ins Zimmer. Sein Blick fiel auf die beiden Bullen.
„Was machen Sie hier? Herr Yüksel hatte einen schweren Autounfall und braucht absolute Ruhe.“ Er warf einen Blick auf den Monitor. „Seine Herzfrequenz ist viel zu hoch.“
„Sandra Fritsche und Lars Schulte vom Raubdezernat.“ Die Beiden holten erneut ihre Ausweise hervor. „Herr Yüksel scheint geistig verwirrt zu sein. Wir werden für eine Befragung wiederkommen, wenn es ihm besser geht.“
„Er hat ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und wird erst von Ihnen befragt, wenn ich Ihnen dazu die Erlaubnis gegeben habe. Haben wir uns verstanden?“ Der Arzt durchbohrte die beiden Bullen mit seinem Blick und Serkan hätte gelacht, wenn es ihm nicht so dreckig gegangen wäre. Er bekam jedoch kaum mit, dass die Bullen gingen, denn seine Gedanken kreisten nur noch darum, wie er es den beiden Alten heimzahlen und die Brosche wiederbekommen könnte. Leider hatte er keine Ahnung, wo sie wohnten, aber er hatte sich das Kennzeichen gemerkt. Serkan verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. Sobald er hier raus war, würde er sich die beiden Alten kaufen und dafür sorgen, dass sie den Tag verfluchen würden, an dem sie sich mit ihm angelegt hatten.